Mit dem neuen Tariftreue- und Vergabegesetz NRW droht ein zentrales Projekt der Landesregierung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu scheitern. Ein Mittelständler hatte geklagt, weil das Gesetz ihm Mindestlöhne für seinen Tochter-Betrieb in Polen vorschreiben will. Die Vergabekammer der Bezirksregierung Arnsberg bezweifelt, dass das Landesgesetz mit europäischem Recht vereinbar ist und hat deshalb einen Fall aus Dortmund zur Vorabentscheidung in Luxemburg vorgelegt. Von der Entscheidung hängt möglicher Weise der Bestand des gesamten Tariftreuegesetzes ab – Experten sagen voraus, dass die Landesregierung das Gesetz zurücknehmen muss. Die Stadt Dortmund hat eine elektronische Aktenarchivierung mit einem Volumen von 300 000 Euro ausgeschrieben. In der Ausschreibung verlangt sie gemäß dem neuen Tariftreuegesetz (TVgG), dass die Bieter einen Mindestlohn von 8,62 Euro zahlen müssen. Ebenfalls in Übereinstimmung mit dem TVgG sollen sie auch gewährleisten, dass der Mindestlohn zusätzlich für ihre Subunternehmen im Ausland gilt. Dagegen ging ein Mittelständler vor, der ein polnisches Tochterunternehmen beauftragen wollte. Er argumentiert, das Lohnniveau dort sei niedriger, weshalb er dort keine 8,62 Euro Lohn garantieren könne. Der EuGH muss nun entscheiden: Darf die Landesregierung über das TVgG Mindestlöhne in anderen EU-Staaten vorschreiben? Wolfram Krohn von der Kanzlei Orrick Herrington & Sutcliffe, der den Mittelständler vertritt, hält das für ausgeschlossen. „Diese Vorgabe steht in klarem Widerspruch zur EU-Dienstleistungsfreiheit.“
Die gewährleistet, dass jedes EU-Mitglied in jedem EU-Staat Arbeit und Waren anbieten darf, ohne wegen seiner Nationalität diskriminiert zu werden. Krohn ist sicher, dass der EuGH im Sinne des Mittelständlers entscheiden wird. „Nach der bisherigen Praxis des EuGH habe ich keinen Zweifel, dass er die Regelung als unzulässiges Handelshemmnis verwerfen wird.“
Quelle: LFH Orientierungen September-Oktober 4/13